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Posts mit dem Label "Dekadenz" werden angezeigt.

Dekadenz 11

Es waren nun 8 Tage vergangen, seit Valentin kommissarisch als Abt von St. Claudius agierte. Der Wechsel in der Führung war auch für die Brüder plötzlich gekommen und viele hegten ihm gegenüber noch Misstrauen. Valentin wunderte dies nicht, wann immer er zum Einsatz kam, war die Lage kompliziert. Nichtsdestotrotz hatte er immer binnen kurzer Zeit beträchtliche Erfolge vorweisen können. Wie auch anderswo, begann er hier mit den bereits aktiven. Diese auszumachen war kein Problem, denn sie hatten bereits kleine Bäuche und rundliche Gesichter. Als ersten unter ihnen bestellte er sich Marcellus, einen mittdreißiger Blondschopf ordentlicher Größe, vermutlich mit deutschen oder niederländischen Ahnen, ins Gespräch. Valentin gehieß Marcellus, auf einem Schemel Platz zu nehmen. Dann verschloss er die Tür und stellte sich vor ihm auf. Er legte seine linke Hand auf Marcellus’ Kopf und begann mit einem Gebet.

Dekadenz 10

--> Am Hof von Versailles gab es soviel Platz, dass selbst ein einfacher Adeliger wie Marc-Babtisté über mehrere Zimmer verfügen konnte. In einem dieser Zimmer lag er nun auf dem großen Bett, neben ihm Auguste. Der Schorff von der Brandnarbe auf dessen Bauch war schon so gut wie verschwunden. Es war eine Woche, seit Auguste sich im Dienste des Thrones, respektive Marc-Babtistés befand. Seitdem hatte er diesen Raum noch nicht verlassen. Eine einzige Pflicht seinem Herrn gegenüber bestand darin, auf dem Bett zu legen oder zu sitzen und sich füttern zu lassen.

Dekadenz 9

--> Auguste stand vor einem schier unlösbaren Problem. Er hatte zwar seit einigen Tagen den unglaublichen Besitz eines Louis D’ Or in seiner Tasche, jedoch gab es keine Möglichkeit, dass er ihn ausgeben konnte. Kein Geschäft würde ihm darauf hinausgeben können. Zum Wechseln konnte er ihn auch nicht bringen, denn niemand hätte ihm geglaubt, dass das Geld rechtmäßig erworben sei und man hätte ihn in Haft genommen. Sich bessere Kleidung zu kaufen und so der Rechtmäßigkeit seines Besitzes ein Statut zu zollen, war er wiederum nicht in der Lage. Er würde erst weitere Kunden aufsuchen müssen um sich genug für ein paar neue Hosen zu verdienen. Die anfängliche Begeisterung ob des schnell erworbenen Geldes war Enttäuschung gewichen.

Dekadenz 8

Sein wohlproportionierter , muskulöser Körper ohne jegliche Verletzungen oder Narben war Augustes Kapital. Wäre er der Schrift mächtig und könnte sich hochtragendes Wissen aneignen, wäre sein Platz nun gewiss an der Seite einer reichen Komtesse oder Herzogin. Gespiele wie er waren gerne vorgezeigte Partner bei Hofe, allerdings mussten sie über eine gewisse Erziehung verfügen, um in entsprechenden Kreisen angenommen zu werden. Diese Erziehung hatte Auguste nie genossen. Als zweitjüngstes von sechs Kindern war er sein ganzes Leben mehr schlecht als recht am Leben geblieben.

Dekadenz 7

Die Sonne schien, der Himmel war blau und Wolkenlos. Es war noch früh am Tag und die Luft war noch klar vom Tau der Nacht, so dass man einen Kilometerweiten Blick hatte. So war es denn auch kein Wunder, dass man im Kloster St. Claudius schon früh von der Ankunft des Gastes wusste. Zunächst war nicht klar, wer da des Weges kam, doch schon bald war das Rot des Umhangs unverkennbar. Diese Farbe stand für Monarchen oder gar noch höher - den Kardinal. Seine Eminenz hatte die Brüder noch nie selbst besucht, allenfalls ein Schreiben überbringen lassen. Umso sensationeller war dieser Überraschungsbesuch. Die Mönche tuschelten und rätselten, was wohl der Grund für die Ankunft des Kardinals sein könnte. Allein der Abt blickte besorgt aus einem Fenster. Er hatte auf seinen Brief an den Vatikan keine Antwort erhalten, aber dass nun der Kardinal deswegen ankam musste bedeuten, dass man sich in Rom seines Anliegens angenommen hatte. Als die Kutsche das Tor noch nicht erreicht hatte, standen die M

Dekadenz 6

Seine Heiligkeit stand auf der Terrasse und Blickte über die vatikanischen Gärten hinaus in die Stadt. Er wartete auf schlechte Nachrichten und vertrieb sich die Gedanken bis zur Ankunft des Boten damit, die Augen zu entspannen und seinen Geist zu leeren. Die wirre, bunten Stadt zu seinen Füßen gab ihm dabei immer ein Gefühl der Ruhe und Geborgenheit . Manch anderer Herrscher fürchtete das Volk, denn es hatte in der letzten Zeit vermehrt Rufe nach Gleichberechtigung und Einreißen der Stände gegeben. Aber seine Stellung war anders als die eines jeden Monarchen. Er war kein Spross einer Dynastie, er wurde nicht mit seinen Vorfahren verglichen und musste keine erbschleichenden Nachkommen fürchten. Er war gewählt. Die einzige Reliquie der griechischen Demokratie stellte heute sein Amt dar. Dies war der eigentliche Quell seiner uneingeschränkten Macht, nicht die Tatsache dass er für Gott sprach. Die höchsten und weisesten Männer hatten sich für ihn entschieden und ihm die Führung der W

Dekadenz 5

Anton schätzte, dass er an dem Geschäft mit Mar-Babtisté 800 bis 1000 Taler Gewinn machen. Das Kleidungsgeschäft lief dieses mal generell sehr gut. Anton hatte sich auf einen kleinen Trick besonnen, den er einmal bei einem Kaufmann in Augsburg beobachtet hatte. Dieser hatte ebenfalls seine Ware sehr versteckt und unauffällig platziert um dann im richtigen Moment gezielt Kunden zu überraschen. In Kombination mit den, selbst für Paris,ausgefallenen Produkten, ging die Taktik auf. Die glückliche Fügung seines Klosteraufenhaltes vor einiger Zeit hatte dabei den Ausschlag gegeben. Noch vollkommen verwirrt von dem, was er dort gesehen hatte, war Anton den nächsten Tag weitergezogen. In einem Wirtshaus, in dem er am Abend einkehrte, hörte er dann zufällig ein Gespräch am Nebetisch mit. Es handelte sich offensichtlich um zwei Bedienstete, die sich über ihre Herrschaft austauschten: "... zwei Haxen und eine Schüssel Knödel." "Und das obwohl er vorher schon Pastete hatte?&qu

Dekadenz 4

Der Kuchen war mit einer Mandel-Zuckermasse überzogen, oben auf saßen kleine Löckchen aus Butter und kandierte Kirschen. Er war. Denn in diesem Augenblick verschwand der letzte Bissen in Marc - Babtistés Mund. Besorgt hielt sein Diener Francois ihm ein Spuckgefäß hin, doch Marc - Babtisté winkte ab. Er schluckte den süßen Brocken hinunter und machte eine Handbewegung, worauf ihm ein kleines Glas Kräuterlikör gereicht wurde. Der bittere Schnaps spülte das Fett aus seiner Kehle hinab in den Magen. Nun würde er einige Stündchen schlafen, bis ihm die nächste Mahlzeit gereicht wurde. Er schloss die Augen. Von den Natur getrieben wachte er schließlich am späten Nachmittag auf. Üblicherweise erleichtere er sich einfach im Park, während ein Diener ihn mit Paravents von fremden Blicken abschattete . Doch keiner seiner Angestellten war zugegen. Marc - Babtisté blickte sich um, doch weit und breit war niemand im Garten. Eine Unverschämtheit. Er würde sie hart strafen, wenn er sie wiederf

Dekadenz 3

"Pater," stammelte Anton wie automatisch als er sich ruckartig aufgerichtet hatte. "i-ich b-bin au-auf der Suche... mich überkam... wo finde ich..." "Du wirst Dich wundern, dass dies nicht der Ort ist, den Dein Körper verlangt." Antwortete der Abt ruhig. "Die Treppe herunter, dann im Kreuzgang die zweite Tür und über den Hof. Ich werde Dich geleiten." Wie in Trance befolgte Anton die Weisung des Abtes und schritt neben ihm den Gang entlang. Erst auf der Treppe fand er seine Sprache wieder: "Pater, was geschieht dort in diesem Zimmer. Es muss gar der Teufel in diese Männer gefahren sein, gottlos, Sodom und Gomorrah sah ich." "Was Du dort glaubtest gesehen zu haben, muss deiner Einbildung entsprungen sein." sprach der Abt. "Das Zimmer, durch das du blicktest, war ein Lagerraum der um diese Zeit immer verschlossen ist. Gewiss hat das Bier, welches wir in dieser Gegend brauen, Dir einen unruhigen Schlaf beschert und

Dekadenz 2

Der Karren war bis obenhin beladen mit allerlei Riemen, Gebinde und Lederwerk. Auf den holprigen Feldwegen warf Anton daher alle Augenblicke eine Blick hinter sich um zu sehen, ob noch alles beisammen war. Durch das Geschepper was der Wagen machte hätte er ein einzelnes Teil schwerlich fallen gehört, aber schnell war etwas kostbares abhanden gekommen. Die Reisen nach Frankreich waren immer außerordentlich beschwerlich, zumal alle paar Meilen eine Grenze zu passieren war und je nach Laune des Zöllners mehr oder minder hohe Zahlungen anfielen. Anfangs hatte Anton sich gefragt, ob es überhaupt lohne mit seinen Waren bis an den Hof von Versailles zu fahren, wo doch das Beste aus ganz Frankreich dort versammelt war. Doch schon seine erste Verkaufstour belehrte ihn eines Besseren. Die Herrschaften waren geradezu versessen nach Extravagantem und zahlten dementsprechend hohe Preise. Was er an Warenwert von vielleicht 1000 Taler hinüberbrachte konnte er für 5000 verkaufen. Da waren auch di

Dekadenz 1

Marc - Babtiste räkelte sich genüsslich auf seiner Liege. Er war gerade aus einem wunderschönen Traum erwacht und ließ sich nun von seinem Diener Augusté den Bauch massieren. Während er mit halber Aufmerksamkeit einem kleinen Schaukampf zweier nackter Jünglinge zusah, stopfte er sich mit einer Hand kandierte Früchte in den Mund. Obwohl Marc - Babtiste den Titel Herzog von Lyon innehatte, verbrachte er die meiste Zeit am Königshof in Versailles. Die meisten Angehörigen des Hochadels nutzten diese Spielwiese zu ihrem alltäglichen Vergnügen und delegierten die Geschäfte in der Heimat an Verwandte oder reiche Gönner aus Handel und Klerus. Das Leben in Versailles war voll aller Annehmlichkeiten und dennoch stellte sich bei den meisten schnell eine Langeweile ein, weil es zwar alles im Überfluss aber nichts Neues gab. Merkwürdige Trends entstanden aus dieser Langeweile heraus, die manchmal nur ein paar Wochen oder Monate anhielten. Seit etwa einem Jahr nun war es eine Art Spiel unter