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6. Dezember

 "Ich dachte erst, das ist ein Fake, als ich von dem Casting gelesen habe", sagte Frank und löffelte seinen Milchschaum. Ihm gegenüber saß Valentin, so wie die Öffentlichkeit ihn kannte: Hut, Brille, schrilles Outfit. Hier musste er sich nicht verstellen, hier wollte er seinem Gegenüber zeigen, dass er kein Fake war.

"Da bist du nicht der Erste, der mir das berichtet", Valentin lächelte. "Und wenn ich das gelesen hätte, wäre ich auch von einer Verarsche ausgegangen. Aber hier bin ich, der echte Bort von Schieferglas, live und in Farbe."

"Ich muss gestehen, ich kannte keine deiner Werke, aber ich habe mal ein bisschen gegoogelt. Du bist ja international ziemlich bekannt momentan." Solche Aussagen trafen Valentin, alias Bort, mittlerweile nicht mehr so stark ins Herz wie früher. Damals, als er den ersten Erfolg in der Kunstwelt feierte, sah er sich auf einmal all den großen Namen gleichgestellt, die für ihn selbstverständliche Idole waren. Doch außerhalb der Kunstbubble, auch in der Schwulen Welt, hörte die Kunstkenntnis bei Picasso, Dalí und vielleicht noch Gerhard Richter auf. Daher war dieses "momentan" für ihn auch nur ein sanfter, bereits so oft getaner, Stich ins Herz.

"Ich will mit meinem neuen Projekt jetzt mal etwas anderes probieren", sagte Valentin. "Auch vom Medium her. Zwar schon auch Fotografie, Druck und Video, aber viel mehr den Prozess dokumentieren als sonst."

"Heißt, ich würde viel gefilmt werden dabei", fragte Frank nach.

"Das wäre die Bedingung", sagte Valentin. "Der ganze Prozess soll dargestellt werden. Mit Höhen, Tiefen, vielleicht auch Rückschlägen."

"Und ich trete meine Rechte an dem Material ab?"

"Dafür die entsprechend üppige Aufwandsentschädigung." Valentin merkte, dass er sein Gegenüber noch nicht ganz überzeugt hatte. "Darüber hinaus wirst du natürlich eine gewisse Berühmtheit erlangen, aus der du in den Folgejahren Kapital schlagen kannst. Wer kann schließlich sonst sagen, dass er Teil eines Kunstprojektes war, das in der ganzen Welt große Beachtung finden wird."

"Und alles, was ich machen muss ist…" Frank pausierte, denn es schien beiden klar zu sein, was er sagen wollte, doch er überlegte, welches Wort er dafür nehmen sollte. Valentin nutzte die Stille, um zu ergänzen und gleichzeitig zu besänftigen.

"Du sollst ein paar Veränderungen - keine bedrohlichen - an deinem Körper vornehmen. Ihn gestalten wie eine Leinwand. Sieh es wie ein Tattoo, das sich im Laufe der Jahre immer weiter ausweitet."

"Ich muss sagen, reizvoll finde ich es ja schon irgendwie, und es wird auch bestimmt eine geile Zeit werden."

"Also haben wir einen Deal?" Valentin lächelte und streckte ihm die Hand entgegen. Frank überlegte nur einen ganz kurzen Moment, dann schlug er ein. "Ausgezeichnet." Valentin lachte, und Frank lachte nun auch. "Und wie gesagt, für die Probeaufnahmen bekommst du auf jeden Fall deine 2000 €, unabhängig davon, ob du später in dem Projekt mitmachen kannst oder nicht."

"Wann erfahre ich denn, ob es geklappt hat?" fragte Frank.

"Ich bin die kommenden drei Wochen am Casten, weltweit", sagte Valentin. "Danach treffe ich die Auswahl und werde die Models, für die ich mich entschieden habe, kontaktieren, um zeitnah mit dem Projekt und den ersten Aufnahmen zu beginnen."

"Es gibt dann verschiedene Locations, meintest du?" Frank hatte sich ein paar Stichworte aus der Beschreibung des Projektes durchgelesen. Er hatte sich den Post sogar ausgedruckt und als zusammengefalteten Zettel auf dem Tisch liegen.

"Ihr werdet herumreisen. Sieh es als eine Weltreise mit Modelshooting. Und das alles nicht nur umsonst, sondern sogar gegen Bezahlung."

"Hast du viele Anfragen bekommen?"

"Ein paar schon." Valentin ließ sich bei solchen Castings nie so in die Karten blicken. Erstmal musste er außerdem genau sehen, was er hier so vor sich hatte. Im nächsten Schritt ging es jetzt in sein Atelier, um Probeaufnahmen zu machen. Weitestgehend nackt, das war den Castingteilnehmern bekannt. Er winkte die Bedienung heran, zahlte, und dann stiegen die beiden in das Auto, mit dem der Fahrer vor der Tür des Cafés gewartet hatte. Beim Abräumen fiel der Bedienung der Zettel auf. Das Auto war allerdings schon weggefahren, also warf sie ihn weg. Einen Blick darauf hatte sie kurz geworfen; es schien irgendeine Auflistung von Dingen zu sein, zusammenhanglos. Da stand nur etwas von 6-12 Monate, Kunstprojekte, Fotos und Videoaufnahmen, Reisen weltweit, Gewichtszunahme ab 30 Kilo.

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