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24. Dezember

"Ich bin mir immer noch nicht sicher, ob wir diese Geschichte so prominent bringen sollten." Der Verleger des renommierten Style-Magazins war schon ein etwas betagter Mann, doch eigentlich hatte er für die meisten Trends, über die sein Heft in den vergangenen Jahren berichtet hatte, ein offenes Ohr und im Nachhinein recht behalten. Nur diesmal war er skeptisch.
"Glauben Sie mir", sagte Annabell, die Chefin der Marktforschung. "Das Thema ist im Moment der Trend. Alle sprechen über die Ausstellung in Berlin; sie hatten sogar 24-Stunden-Öffnungszeiten wegen des großen Andrangs."
"Aber nichtsdestotrotz, es ist ja nicht gesund, was diese Männer da machen", gab der Verleger zu Bedenken.
"Waren das die Mager-Models in all den Jahren davor denn?" fügte ein Redakteur hinzu. In der Tat war die Titelstory dieser Ausgabe recht explizit, doch die traf den Puls der Zeit und den Trend in den sozialen Medien. Als Cover würde das Magazin die vier verbleibenden Models aus dem Projekt von Bort von Schieferglas zeigen, quasi nackt mit ihren prallen und drallen Körpern. Sie galten aktuell als das neue Schönheitsideal. Sie stellten ihre Körper dar mit ihrer speziellen Marmorisierung, die sie sich über die letzten Monate zugelegt hatten. Überall im Netz wurden sie gefeiert, und dieser Hype hatte noch umso mehr zugenommen, als im Zuge der Berliner Ausstellung nun endlich auch ihre Gesichter veröffentlicht wurden. Die Doku, in der sie sich über das Projekt sprachen, war Platz eins der Videos im Streaming. Und jedes Exponat, das aus der Ausstellung bereits in die Auktionen ging, erzielte Spitzenpreise.
Bort - oder Valentin - gab an die 15 Interviews am Tag, in denen er stets die Schönheit seiner Models betonte und die Ästhetik, die ihre Körper erzeugten. Und in der Tat hatte die Ausstellung ein völlig neues Bild auf Schwangerschaftsstreifen - oder Stretchmarks im Allgemeinen - geworfen. Frauen wie Männer beriefen sich bei den Narben, die auf ihren Körpern entstanden waren, auf die Ästhetik von Schieferglas. Body Positivity wurde hier auf ein neues Level gehoben.
Die vier Models selbst beobachteten das aus der Ferne. Keiner von ihnen war bisher groß außerhalb des Projektes in Erscheinung getreten. Henry und Frank, die beide unmittelbar nach dem Ende des Projektes wieder mit Sport und gesunder Ernährung das Abnehmen in Angriff genommen hatten, waren zwischenzeitlich schon fast gar nicht mehr mit ihren Aufnahmen in der Ausstellung zu erkennen. Klar, die roten Linien trugen sie weiterhin, aber die waren wieder sehr verblassen. Auch der Muskelaufbau verformte die Körperformen bei beiden mehr ins Bullenhafte.
Linus und Serkan hingegen lebten das neue Schönheitsideal, zu dem sie beigetragen hatten, in vollen Zügen aus. Serkan erkannte schnell seine Popularität in der arabischen Welt. Er wurde von einigen reichen Scheichs eingeladen und dort als Top-Promi auf verschiedenen privaten Feiern präsentiert, bei denen sein Bauchtanz das Highlight darstellte. Linus hatte sich noch in der ein oder anderen Pornoproduktion von Valentin umgetan und war darüber hinaus mittlerweile mit OnlyFans sehr erfolgreich. Es gab auch Cross-Pornos, in denen er und Serkan zusammen aßen oder gefüttert wurden. Manchmal kam als Special Guest zudem ein unbekannter Junge hinzu, blasse Haut, rote Linien am Bauch. Er hatte den Trend des bewussten Fettfressens also auch schon umgesetzt. Die Kommentare waren ebenfalls sehr neugierig, um wen es sich handelte, doch der mysteriöse dritte Bauchträger in diesen Produktionen hielt seine Identität verborgen. Zu viel Spaß hatte er nämlich unerkannt durch die Szene zu streifen.
Und dort kann man ihn auch weiterhin sehen, in den Gay-Saunen der Metropolen. Manchmal begleitet von seinem Arbeitgeber und mittlerweile guten Freund, manchmal auch alleine. Seinen Bauch ließ er weiter wachsen, die Stretchmarks hatten sich etabliert. Und wann immer er in einer Sauna einem Whirlpool entstieg und ein etwas älterer, aber sportlicher Daddy ihm interessiert hinterherblickte, wusste Kim, dass er damals für eine große neue Bewegung die erste Muse gewesen war.
 
Ende

Kommentare

Anonym hat gesagt…
Vielen Dank für den Adventskalender.
Sehr geile Geschichte!

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