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6. Dezember

Joachim von Hallerberg ließ die Finger über die Tastatur seines Laptops fliegen. Die Worte flossen ihm aus den Gedanken so schnell in Zeilen, wie sonst kaum. Das, was er bei diesem Cafébesuch erlebt hatte, war einer seiner größten kulinarischen Offenbarungen bisher gewesen. Dass er das biedere Café in einem eher drittklassigen Wiener Bezirk überhaupt besucht hatte, war diesem kecken Chocolatier zu verdanken, den er im Zug von St. Moritz nach Chur getroffen hatte. 

Es war mittlerweile nicht mehr unüblich, dass auch jüngere Leute sich die erste Klasse leisteten um von dort durch die Panoramafenster des Waggons besten Blick auf die spektakulären Streckenabschnitte dieser berühmten Bahn zu haben. Doch dieser junge Mann war anders. Gut gekleidet, businessmäßig, saß er die ganze Fahrt über in ein Buch vertieft und würdigte die umliegende Landschaft keines Blickes. Ab und zu griff er in eine Schachtel, die er auf dem Sitz neben sich stehen hatte und nahm eine Praline heraus, die er schon fast zelebrieren langsam aß. Erst biss er ein kleines Stück ab, dann legte er sie wieder in ihrem Papier ab, um nach langsamem herunterzuschlucken und den nächsten kleinen Bissen zu nehmen. Mit diesem Gehabe hatte er irgendwann Joachim von Hallerbergs volle Aufmerksamkeit an sich gezogen. Bei Filisur, als viele der andern Reisenden den Zug verlassen hatten um entweder zum Fotopoint de Landwasserviadukts zu gehen oder in den Zug nach Davos umzusteigen, nutze er die Gelegenheit und setzte sich in dem nun fast leeren Wagen auf den zweisitzer gegenüber von ihm. Der junge Mann bemerkte dies, ließ kurz den Blick von seinem Buch nach oben wandern, nickte Joachim von Hallerberg zu und vertiefte sich wieder in seinen Text. Joachim von Hallerberg versuchte unterdessen zu lesen, was auf der Schachtel der Pralienverpackung stand, doch er konnte die kupferfarbene Schnörkelschrift nicht entziffern.

“Sie interessieren sich für die Pralinen?” fragte der junge Mann schließlich, ohne den Blick von seinem Buch abzuwenden. Ertappt zuckte Joachim von Hallerberg zusammen. Doch er versuchte, die Contenance zu bewahren.

“Ich wunderte mich, weil mir das Logo auf der Verpackung nicht bekannt vorkommt. Eigentlich bin ich mit den meisten Chocolatiererzeugnissen vertraut.”     

“Diese Pralinen werden nur in Wien hergestellt, eine exklusive Eigenkreation eines Kaffeehauses.” erzählte der junge Mann. “Ich habe sie einem Hotel in St. Moritz vorgestellt, die sie für ihre Suiten haben möchten.”

“Na das ist ja schon fast ein Stilbruch, ausländische Schokolade in die Schweiz einzuführen.” 

“Die Schokolade stammt aus der Schweiz, es ist die Verarbeitung, die in Wien erfolgt.” der Mann öffnete den Deckel der Schachtel und reichte sie Joachim von Hallerberg herüber. “Bitte, probieren Sie.”

“Da sage ich nicht nein, vielen Dank.” er griff nach einer der Pralinen und biss sie in der Mitte durch. Angefangen beim knacken der Schokolade, die sich jedoch sofort in zartschmelzende Creme verwandelte über die etwas festere Creme mit einer Note von Aprikose bis zum Marzipankern, war die Praline geschmacklich wie auch haptisch von außergewöhnlicher Qualität. Die Pause, die er bis zu einer Reaktion machte, ließ den jungen Mann schmunzeln. 

“Sehen Sie, da fährt sogar der Schweizer gerne Schokolade aus Österreich ein.”

“Wirklich sehr deliziös. Und Sie sagen die Pralinen werden in einem Café in Wien hergestellt?" 

“Ja, es nennt sich Schlagobers, im 6.Bezirk.”

“Nun, besten Dank für den Tipp, dann muss ich dort bei meinem nächsten Wien-Besuch einmal vorbeischauen.”

“Tun Sie das.” ermunterte ihn der junge Mann. “Es gibt nicht nur Pralinen, auch die Torten sind hervorragend.” Dann vertiefte er sich wieder in sein Buch. Es war nur noch etwas mehr als eine halbe Stunde bis Chur, doch Joachim von Hallerberg wurde schon ganz unruhig. Er hatte das Bedürfnis, weiter zu essen, doch es wäre anmaßend, den jungen Mann nach noch einer Praline zu fragen. Doch kurz vor Chur begann der nun einzupacken, steckte sein Buch in seine Tasche und legte die Pralinenschachtel auf den Tisch.

“Ich glaube, ich habe heute schon genug Süßes gehabt.” sagte er und blickte Joachim von Hallerberg lächelnd an. “Wenn Sie mögen, es sind glaube ich noch 5 oder 6 Pralinen in der Schachtel, nehmen Sie sie gerne mit, wenn Sie ihnen schmecken.”

“Das kann ich nicht annehmen." versuchte Joachim von Hallerberg die Ruhe zu bewahren, denn innerlich zitterte er bereits vor  Vorfreude auf den Genuss. “Darf ich Ihnen wenigstens einige Franken dafür geben.”

"Ich bitte Sie.” der junge Mann winkte hastig ab. “Aber besuchen Sie gerne das Cafe`, es wird von einem Freund von mir betrieben."

"Das werde ich tun.”

Dann stieg der junge Mann aus. Joachim von Hallerberg schaute schnell in seinen Kalender. Schon in wenigen Tagen hatte er ein Zeitfenster, das würde er für einen Abstecher nach Wien nutzen.


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