Selbst im Industriegebiet waren die Mieten in Zürich sehr hoch. Max ging daher mit dem Investment ein erhebliches Risiko ein, doch alles in allem wäre im Schlimmsten Fall ja das Geld seines Vaters bzw. dessen Firma. Offiziell entstand hier ein Verpackungslager der Confiserie Toggerli - der guten Anbindung an den Flughafen halber weil das internationale Geschäft gerade gut wuchs. Die Stellenanzeige für Mitarbeiter hatte Max allerdings nur in bestimmten Publikationen gestreut. Es las sich zunächst wie eine normale Bewerbung, doch in der Auswahl der Kandidaten war Max streng nach Optik vorgegangen. Nicht dessen, was er in den Lebensläufen sah, sondern das, was er über die Bewerber in anderen Plattformen herausgefunden hatte.
"Ok, dann erzähle ich dir mal, was wir hier für Tätigkeiten machen werden und was von unseren Mitarbeitern erwartet wird." führte Max ein bisschen aus. Es würde sich, so erklärte er, um einen Club zur Erwachsenenunterhaltung handeln, Men only. Sie würden als Servicekräfte nicht nur hinter der Theke Getränke ausschenken, auch die Bedienung mit Essen in den Zuständigkeitsbereich fallen. Außerdem dürften sie, wenn sie das wollten, den Gästen auch in anderer Weise behilflich sein. Hier könnte jeder individuell seine Art und Höhe der Entlohnung mit dem jeweiligen Gast oder den Gästen ausmachen, dafür interessierte er sich nicht. Was er allerdings erwarte, war ein offenes ausleben der body-positivity-Grundsätze des Clubs, was auch gewissen Eigeninitiative erfordern könnte.
"Was ist mit Eigeninitiative gemeint?" fragte Rene, den Max gerade interviewte.
"Fühlst du dich wohl in deinem Körper?" fragte Max.
"Schon." antwortete Rene, der nicht ganz verstand, was von ihm erfragt wurde.
"Darf ich wissen, was du wiegst?"
"Ist das nicht ein bisschen indiskret?"
"Du musst nicht, wenn du nicht magst." Max klappte demonstrativ die Bewerbungsmappe, die er aufgeschlagen vor sich liegen hatte zu.
"88 kg." sagte Rene schnell. "Bei 1,87 m."
"Sportlich." kommentierte Max anerkennend und steckte einen Finger wieder zwischen die Seiten der zugeklappten Bewerbungsmappe. "Aber sicher viel Arbeit, seien Körper immer so in Shape zu halten und auch sehr zeitintensiv."
"Ach das geht schon." Rene spannte zum Beweis ein bisschen die Muskeln an. "So 4-5 mal die Woche Fitnessstudio."
"Ui, das ist ja viel." Max seufzte. Er nahm den Finger wieder aus der Mappe. "Das könnte für unser Gäste dann schnell einschüchternd wirken und ihnen ein schlechtes Körpergefühl geben."
"Ach in den anderen Läden in denen ich so gearbeitet habe, war gerade das Trainierte der Lockfaktor und von den Mitarbeitern gewünscht."
"Na wir sind da eben ein andere Club." Max schob die Mappe nun sogar noch ein Stück von sich weg. "Tut mir leid, aber so wird das leider nichts mit uns." Er konnte die Enttäuschung in Rene Augen sehen, denn bei der Beschreibung der Tätigkeiten hatte er natürlich auch das üppige Gehalt erwähnt.
"Und wenn ich ein bisschen weniger Trainiert rüberkommen würde?"
"Weist du was." Max hatte plötzlich wieder ein Grinsen auf dem Gesicht. "Wir frühen ja noch ein paar Tage lang Bewerbungsgespräche. Ich behalte deine Mappe einfach noch bei mir, sagen wir für 2 Wochen, und wenn du magst, kannst du ja nochmal vorbeikommen und wir unterhalten uns nochmal."
Zwei Wochen später meldete sich Rene wieder bei Max, ob er nochmal zu einem Gespräch vorbeikommen könne. Max musste schmunzeln. Er war gespannt, ob Rene die Hinweise verstanden hatte. Zur Überprüfung hatte er diesmal in seinem Büro eine Waage aufgestellt. Dann klopfte es und ein deutlich speckigerer Rene betrat sein Büro. Ein enges T-Shirt spannte über der neu angefressenen kleinen Wampe. Sein hochroten Kopf zeigte, wie sehr er unter dem zusätzlichen Gewicht schnaufen musste. Doch das zeigte den passenden Spirit.
"Willkommen zurück." begrüßte Max ihn und deute auf die Waage. "Bitte einmal die Schuhe und Jacke ausziehen. Da es Sommer war, hatte Rene ansonsten nur noch eine kurze Sporthose und das T-Shirt an, also weniger als 500 g. Die Waage aber zeigte nun 96 kg. "Na also, das passt doch besser, oder?"
"Ja, ging dann auch irgendwie mal zwei Wochen ohne Sport." gab Rene ein bisschen errötend zu.
"Na dann willkommen im Team. Wir sehen uns dann ab kommenden Monat." Max schüttelte ihm zum Vertragsabschluss die Hand. "Ach ja, und keine Sorge, wir haben hier Dienstkleidung, die euch selbstverständlich in allen erforderlichen Größen gestellt wird."
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