"So, alles Abbauen." rief der große, kräftige Mann mit roter Nase über den Platz. Adrian blickte überrascht von seinem Smartphone hoch, auf der er im die meiste Zeit des Tages herumscrollte, wenn gerade keine Kunden am Stand waren. In den letzten Tagen hatten die Standbetreiber gebangt, wie lange sie wohl offen haben könnten. Es waren in diesem Jahr ohnehin viel weniger, da einigen die das Risiko scheuten, ggf. auf ihren Waren sitzen zu bleiben. Doch Adrian war, wie in den meisten Jahren zuvor, in denen er den Stand noch mit seiner Oma gemeinsam betreiben hatte, seit dem Eröffnungstag vor Ort. Nun, nach gerade einmal einer Woche, waren die Befürchtungen also wahr geworden. Die Inzidenzzahlen waren weiter gestiegen und die Politik hatte die Reißleine gezogen und alle Veranstaltungen abgesagt. Zwar hatten sie alle für sich schon die Szenarien "was wäre wenn" durchgespielt, doch jeder Tag der offen war bedeutete zumindest Umsatz. Adrian saß ohnehin, aber nun sackte er nochmal etwas in sich zusammen. Sein Blick fiel nach unten, wo sich die Kisten stapelten, ganz zu schweigen von dem, was in der Rückseite der Bude und einer angemieteten Garage noch lagerte. Lebkuchen - knapp eine Tonne.
Nachdem der Beschluss verkündet war, hatte die Kommune die sofortige Beendigung des Marktbetriebs angeordnet. Es dauerte nicht lange und die Mitarbeiter des Ordnungsamts gingen über den Platz um sicherstellen, dass alle Buden den Verkauf einstellten. Da hatten die meisten ihre Hütten aber auch bereits geschlossen. Auch Adrian hatte seine Bude abgeschlossen und stand in einer kleinen Runde mit einigen der anderen am Glühweinstand, wo der Wirt den heißen Glühwein, der noch im Topf war, an seine Kollegen verschenkte. Es herrschte geknickte Stimmung.
"Und, wann geht's bei dir zurück?" sprach Nico Adrian an. Die beiden hatten sich ein paar Mal Morgens und Abends beim Auf- und Zuschließen gesehen und ein bisschen geplaudert. Nico arbeitete im Verkauf an einem Weihnachtskugelstand - eine Kette und nichts aus der Region.
"Na habs ja nicht weit, 20 Kilometer." Antwortete Adrian.
"Ach stimmt, du bist ja ein Einheimischer." Nico blickte etwas verloren über Adrians Schulter hinweg über den Platz, wo jetzt bereits die ersten Autos angefahren kamen um Waren einzuladen. "Wievielt musst du noch einlagern?"
"Ach weiß nicht, ob das was bringt." seufze Adrian. "Meine Lebkuchen haben ja ein Mindesthaltbarkeitsdatum, die kann ich Ende Februar wegwerfen."
"Ojeh." sagte Nico. "Also wenn du Hilfe brauchst beim Einlagen, ich hätte jetzt eh nichts mehr zu tun. Meine Schicht für heute ist schon rum. Ehrlich gesagt weiß ich grad nicht so genau, wies bei uns jetzt weitergeht. Unsere Verträge für dieses Jahr enden automatisch mit Schließung der Märkte, egal wann das ist. Muss ich jetzt wohl wieder zurück nach Hause."
"Hm, also Hilfe beim Einladen wäre natürlich super." Adrian hatte sich da drüber in der Tat noch keine Gedanken gemacht, aber im Moment wäre ihm jede Hand recht. Und auf Nico hatte er ohnehin schon die ganzen letzten Tage ein Auge geworfen. Schade dass der nicht schwul war. Also zumindest hatte er ihn bisher noch nicht bei Romeo entdeckt...
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