Am Tor des Vorgartens blieb Gregor noch
einmal stehen, und blickte wehmütig zurück. Was würde sie draußen
im Wald erwarten? Würde ihnen die Flucht gelingen und sie es bis in
die zivilisierte Welt zurückschaffen? Aber Hans war bereits einige
Schritte voraus und so konnte er nicht lange verweilen.
Er brach sich
noch ein letztes Stück des Zaunes, auf den er sich gerade stützte,
ab und folgte Hans in die Dunkelheit. Nach einigen Metern war der
Wald schon wieder so dicht und dunkel, dass die Laterne, die Hans
vorsorglich mitgenommen hatte, ihnen als Einziges einen kleinen Blick
auf das, was vor ihnen lag, preisgab. Unter seinen Füßen merkte
Gregor, dass sie bereits wieder auf dickem, weichen Moos gingen, wie
zu Beginn. Ob sie jedoch auch nur im Entferntesten in die Richtung
gingen, aus der sie diesen geheimnisvollen Wald betreten hatten,
vermochte er nicht zu sagen. Nach etwa einer halben Stunde und keiner
Veränderung der dunklen Landschaft um sie herum, machte Hans
plötzlich halt.
„Was ist?“ fragte Gregor, der ein
paar Schritte hinter ihm her tappte.
„Riechst du das? Ich rieche Feuer,
Rauch. Irgendwo brennt etwas.“ Gregor atmete tief ein und jetzt
konnte auch er es riechen. Feuer. Aber kein giftiger Geruch, als wenn
Kunststoffe oder Chemikalien verbrennen. Es war wie wenn Gegrillt
wurde oder ein Kaminfeuer. Beide beschleunigten ihre Schritte und je
weiter sie kamen, desto intensiver wurde der Geruch. Es konnte nicht
mehr lange dauern, bis sie an die Quelle kommen würden.
„Da, Licht!“ rief Hans auf einmal.
Ein flackernder Schein drang durch die Baumstämme. Sie
beschleunigten ihre Schritte und Gregor wollte sich schon durch Rufen
bemerkbar machen. Doch Hans hielt ihm schnell die Hand vor den Mund.
„Hey, Vorsicht! Wir wissen nicht, wer
da ist.“ Er verlangsamte seine Schritte wieder und sie schlichen
näher. Als sie noch knapp 100 Meter entfernt waren, hörten sie ein
leises Gemurmel. Schnell löschte Hans die Laterne. Aus 50 Metern
Entfernung konnten sie erkennen, dass irgendjemand vor dem Feuer hin
und her lief und aus dem Gemurmel war ein Reim oder eine Melodie
geworden. Hans und Gregor blieben stehen blickten sich ratlos an.
Dann deutete Hans mit einer Kopfbewegung an, dass sie näher heran
gehen sollten. Das Gemurmel wurde deutlicher und sie konnten erste
Worte identifizieren.
„...morgen...ich....weiß...“
Jetzt waren sie nur noch wenige Meter
von der Feuerquelle entfernt. Aus dieser Distanz konnten sie
erkennen, dass eine Gestalt immer wieder im Kreis um die Flammen
lief, oder eher hüpfte beziehungsweise tanzte. Das Gemurmel war nun
klar zu vernehmen. Gregor griff Hans an der Schulter und zog ihn zu
sich zurück. Er kam mit seinem Mund ganz dicht an Hans' Ohr und
flüsterte:
„Lass uns Abhauen! Wenn der echt ist
dann gnade uns Gott!“ Doch Hans schob Gregors Hand von seiner
Schulter und schüttelte den Kopf. Er schritt weiter nach vorne und
bald konnte er die Wärme des Feuers auf seinem Gesicht spüren, so
dicht war er nun. Wie in Trance schritt er näher und achtete dabei
nicht mehr auf seine Schritte. Plötzlich vernahm er ein lautes
Knacken und zog reflexartig den Fuß hoch, der soeben einen trockenen
Ast zerbrochen hatte. Der Tanzende hielt augenblicklich in seinem
Lied inne und blickte in Hans' Richtung. Statt eines Gesichts blickte
Hans jedoch nur ein schwarzes Loch im Schatten einer Kapuze entgegen.
Daraus starrten ihn zwei leuchtend rote Punkte als Augen an. Hans
wollte sprechen, doch er bekam den Mund nicht auf. Auch konnte er
sich nicht bewegen sondern stand wie zu Stein erstarrt. Mehrere
Sekunden hielt diese Stille an. Dann wandte der mysteriöse
Kapuzengeist den Kopf wieder von ihm ab, sprang aus dem Stand über
die Flammen, die im selben Moment erloschen und war verschwunden.
Während Hans immer noch unbeweglich
dastand, hatte Gregor sich von hinten genähert.
„Hab ich dich nicht gewarnt?“
flüsterte er. „Man legt sich nicht an mit Rumpelstilzchen.“
„Der hatte leuchtend rote Augen, ganz
gruselig.“ meinte Hans. „Aber das wird doch nicht echt...“
„Na wer hüpft denn sonst um ein
Feuer und singt: 'Heute back' ich, morgen brau' ich, übermorgen hol'
ich der Königin ihr Kind. Ach wie gut das Niemand weiß, dass ich
Rumpelstilzchen heiß!' Mich wundert gar nichts mehr.“
„Aber überlege doch mal, welchen
Sinn ergibt es, dass sich genau hier und genau jetzt ein
jahrhundertealtes Märchen ereignen soll?“ entgegnete Hans. „Das
war irgendein Freak der Theater spielt.“
„Komm lass uns schnell weiterlaufen,
nicht dass der noch zurückkommt.“ Sie tappten wieder weiter durch
den Wald doch auch nach gefühlt mehreren Kilometern waren sie von
nichts als tiefer Schwärze umgeben. Doch auf einmal wurde die
Dunkelheit zu einer Seite hin heller und es waren wieder einzelne
Baumstämme zu erkennen. Beide beschleunigten nochmals ihren Schritt.
„Oh Mann ich hoffe das ist nicht
wieder so ein verrückter Kerl der ums Feuer tanzt.“ stöhnte
Gregor, der hechelnd wieder ein Stück hinter Hans zurückgefallen
war.
„Dafür ist es zu groß und zu hell.“
rief Hans. „Das scheint eine Lichtung zu sein mit einem oder
mehreren Gebäuden darauf. Warte mal....“ Hans setzte zum Sprint an
und lief ein Stück voraus. Gregor schleppte sich keuchend hinterher.
Nach ein paar Minuten hatte er Hans eingeholt, der ihm den Rücken
zukehrte und geradeaus blickte.
„Na, auch außer Puste?“ scherzte
Gregor. Doch dann sah er, was Hans gesehen hatte und auch er blieb
augenblicklich stehen. Tiefe Enttäuschung überfiel ihn. Was vor
ihnen lag war das Lebkuchenhaus.
„Wie kann es sein dass wir im Kreis
gelaufen sind?“ murmelte Hans vor sich hin. Gregor hatte auf einem
Baumstumpf Platz genommen, denn die Hetze der letzten Meter hatte
seine Puste vollkommen aufgebraucht.
„So dunkel wie es war wundert mich
das aber gar nicht.“ meinte Gregor, der langsam wieder Sprechen
konnte.
„Na es hilft nichts, wir müssen wohl
wieder in das Haus. Ich kann heute nicht mehr viel weiter laufen.“
„Frag mich erst mal.“ Gregor
stemmte die Hände in die Hüften. Der Speck darunter war ganz weich
und seine Finger sanken darin sein. „Komm lass uns rein gehen und
erst mal 'ne Runde pennen.“
Drinnen brannte der Kamin und es
duftete nach frischgebackenen Plätzchen. Das Haus war in ihrer
Abwesenheit umdekoriert worden, alles sah nun sehr weihnachtlich aus.
Beide blickten sich kurz um, dann machte sich Gregor auch schon auf
den Weg nach oben, so müde war er. Als er das Schlafzimmer betrat,
musste er innerlich schmunzeln. Neben dem Bett stand ein Teller mit
Plätzchen und Lebkuchen und die Bettdecke hatte ein
Tannenbaummuster. Doch er war zu müde sich damit noch länger zu
beschäftigen. Es dauerte kaum zwei Minuten, da war er eingeschlafen.
Mitten in der Nacht wurde er kurz wach, weil er meinte aus dem
zweiten Schlafzimmer ein Stöhnen zu hören. Er lauschte, doch dann
war wieder Stille und er schlief ein. Alles in Allem hatte er einen
sehr unruhigen Schlaf und wälzte sich viel hin und her. Wirre Träume
waberten durch seinen Kopf. Einmal träumte er, dass er im Bett lag
und jemand ihm die Nase zuhielt, dann einen Trichter in den Mund
steckt und Literweise Eggnogg hineingoss. Während der Traumhandlung
döste er aber auch irgendwann wieder weg und schluckte nur noch mit
geschlossenen Augen weiter.
Am nächsten Morgen wachte er auf, weil
ihm das Licht aufs Gesicht schien. An die Träume konnte er sich kaum
noch erinnern, aber er fühlte sich immer noch erschlagen von dem
Marsch durch den Wald tags zuvor. Er wollte aufstehen doch kam sich
unglaublich unbeweglich vor. Mühevoll rollte er sich über die Seite
aus dem Bett, wobei ihm sein Bauch als großes Hindernis im Weg lag.
Er setzte sich erst einmal auf die Bettkante und schnaufe. Seine
Wampe erschien ihm nochmals dicker als noch am Vortag und sie lag
prall und rund auf seinen Schenkeln. Nach einer Minute wuchtete er
sich in den Stand und musste direkt aufpassen, dass er nicht vorne
über Kippte. Überhaupt schwankte um ihn herum noch alles, wie als
hätte er einen mächtigen Kater. Vorsichtig tappste er zur Tür,
wobei jeder Schritt ein Balanceakt war. Im Flur angekommen blickte er
durch die offene Tür in das Zimmer, in dem Hans schlief. Auch der
war gerade am aufwachen und hatte schon die Bettdecke von sich
gerollt. Noch gestern war Hans mehr oder minder Sportlich durch den
Wald gelaufen, doch heute schien ihm das Aufstehen eine ebensogroße
Mühe zu bereiten, wie Gregor. Auch Hans musste erst das
Gleichgewicht finden. Gregor blickte verwundert auf das Bäuchlein
von Hans, was deutlich runder war als noch am Abend zuvor. Da schien
jemand also doch noch über die Plätzchen hergefallen zu sein,
dachte Gregor. Doch dann bemerkte er einen Fleck auf Hans Kinn. Eine
gelbliche Flüssigkeit und auch seine Brust war damit bespritzt. Als
Hans auf Gregor zukam roch der außerdem eine mächtige Alkoholfahne.
„Na, haste gestern noch Spaß
gehabt?“ meinte Gregor grinsend.
„Boah hör mir auf.“ meinte Hans
nur. „Ich war nach paar Minuten eingepennt und hatte total
abgefahrene Träume. Einmal hab ich geträumt, dass mir jemand einen
Trichter in den Mund steckt und mich mit Eggnogg abfüllt.“
„Wie bitte?“ Gregor zog die
Augenbrauen hoch. „Das gleiche hab ich auch geträumt!“
„Wie krass ist das denn.“ sagte
Hans. „Wobei, hast du es wirklich nur geträumt?“ er streckte die
Hand aus und strich mit einem Finger über Gregors Brust. Dann hielt
er ihm den Finger unter die Nase. „Da hat sich jemand wohl auch in
Echt mit Eggnogg bekleckert.“ sagte er schmunzelnd. Erst jetzt
wurde ihm bewusst, was das zu bedeuten hatte und schlagartig
entglitten auch ihm die Gesichtszüge.
Kommentare
sie werden gemästet und abgefüllt bis sie sich nicht mehr bewegen können und dann geil gemacht und müssen dabei weiter in sich hineinstopfen oder saufen .......