Nils und Carlos lebten in einem
freistehenden Einfamilienhaus knapp 10 Kilometer außerhalb des
Zentrums. Nils war Architekt und hatte sich das Haus vor zwei Jahren
gekauft. Seitdem baute er hier und da immer ein bisschen daran herum.
Seit einem Jahr lebte auch Carlos bei ihm. Der schmiss tagsüber den
Haushalt und arbeitete mal mehr und mal weniger intensiv an seiner
Promotion. Der erste Gang führte sie mit ihrem neuen Gast direkt ins
Schlafzimmer. Allerdings stand kein Quicky auf dem Plan sondern sie
wollten Lucas aus ihren Sachen etwas zum Anziehen heraussuchen.
Momentan trug er nämlich immer noch seine Badehose (die mittlerweile
aber getrocknet war) und das Hemd von Carlos, der sich nun mit seinem
T-Shirt begnügen musste. Beim Anprobieren stellten sie fest, dass
die etwas älteren Hosen von Nils ihm gut passten. Damals war der
noch etwa 15 Kilo leichter gewesen. Nur die Hosenbeine waren etwas
lang, aber die ließen sich ja umschlagen. An T-Shirts und Hemden in
XL herrschte kein Mangel und auch die 7er Unterwäsche passte gut.
Frisch eingekleidet fühlte Lucas sich nun schon wieder viel besser.
„Schaust gut aus.“ meinte Nils, als
Lucas sich ihnen präsentierte. „Sag mal, wie sollen wir dich denn
nennen, so lange bis dir dein richtiger Name wieder einfällt?“
„Hm, keine Ahnung?“ antwortet Lucas
schulterzuckend. „Was meint ihr denn?“
„Also ich finde ja du siehst wie ein
Manuel aus.“ Schlug Carlos vor. „Oder Bruno, das fänd' ich auch
schön.“
„Wie wäre es mit Lukas? Oder Leon?
Louis?“ Nils war mehr auf dem L-Trip und keiner der drei ahnte, wie
recht er damit hatte.
„Ach ne, das sind so Softienamen.“
erwiderte Carlos und klatschte Lucas leicht gegen den Oberarm. Der
war immer noch sehr muskulös. „Wir haben hier doch einen richtigen
Kerl vor uns. Alex oder Klaus zum Beispiel.“
„Alex finde ich gut.“ meinte Lucas.
„Wie Alexander der Große.“ Sofort hatten alle drei unabhängig
voneinander das Bild von Collin Farrell im Kopf.
„Oder Alexander von Humboldt.“
ergänzte Carlos, der in Geschichte seinen Doktortitel machte. Das
Schweigen der Andern verdeutlichte ihm aber wieder einmal, dass er
einen Ingenieur geheiratet hatte und auch bei Mister Anonymus
schienen da keine Glocken zu läuten. Nach einer kurzen Pause meinte
er daher: „Oder Alex aus Clockwork Orange.“
„Au ja, dieser Typ mit dem
Beethoven-Tick!“ schoss es aus Lucas heraus.
„Aha, Kubrick kennst du also schon.“
Sagte Nils. „Da scheinst du ja kein ganz ungebildetes Vorleben
gehabt zu haben.“ Dass Lucas, beziehungsweise Alex, wie er jetzt
hieß, A Clockwork Orange kannte und sogar die Beethovenmusik
daraus lag aber nur daran, dass sich seine Mannschaft den Film einmal
nach einem Freundschaftsspiel gegen Fortuna Düsseldorf zusammen mit
den Toten Hosen angesehen hatte.
„Was möchtest du denn jetzt machen,
Alex?“ fragte Carlos.
„Du hast bestimmt Hunger, gell?“
schlug Nils vor. Und in der Tat fiel es Lucas-Alex jetzt auf, dass er
seit Stunden nichts mehr gegessen hatte.
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