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Bellybook 3: Going Live

Ben lief nun schon eine halbe Stunde lang wie Falschgeld um den Treffpunkt herum. Es waren viele Touristen hier, so fiel das wenigstens nicht auf. Aber je näher die vereinbarte Uhrzeit rückte, desto mulmiger wurde ihm. So war es immer, wenn er sich mit einem Typen im echten Leben traf.
Zwar kannte man sich über das Chatten schon recht gut und hatte auch jede noch so intime Stelle am Körper des Anderen vor der Webcam gesehen, doch das tatsächliche Aufeinandertreffen war immer noch etwas Besonderes. Für Ben schwang auch nach weit über zehn solcher Treffen immer ein bisschen die Angst mit, als was für ein Verrückter sich der Typ entpuppen könnte. Er wusste noch, wie er bei seinen ersten Treffen in anderen Städten immer einen Zettel mit dem Namen und der Telefonnummer des Dates in seiner Wohnung auf die Couch gelegt hatte, so dass, falls er entführt würde, man ihn zumindest schnell finden konnte. Schließlich wussten nur er und der Typ, mit dem er sich traf, von ihrem Treffen. Für sein Umfeld konstruierte er Coverstories warum er 1-2 Tage nicht zuhause war und somit auch keine Mails schreiben könnte oder warum man ihn nicht spontan besuchen kommen könnte. In seinem direkten lokalen Umfeld wusste niemand etwas von seiner Vorliebe. Auch wenn ihn Typen besuchen kamen, verbrachten sie meist die komplette Zeit in seiner Wohnung oder gingen, wenn überhaupt, an Orte, wo er sich sonst nicht aufhielt. Die Vorstellung mit einem Typen, sei es nun ein schlanker Feeder oder ein dicker Gainer, von Freunden gesehen zu werden, war ihm ein Horror. Wenn sie denn die Wohnung in seiner Heimatstadt verließen, so überlegte er sich im Hinterkopf immer eine fiktive Biografie zu seiner Begleitung, die er, sollten sie jemanden treffen der ihn kannte, wie selbstverständlich herunterbeten konnte. Vom Cousin bis hin zum Referatspartner aus früheren Semestern oder Arbeitskollegen am anderen Standort hatte er sich schon alles ausgedacht – und glücklicherweise noch nie einsetzen müssen.
Dieses leicht grummelige Gefühl, was sich in seiner Darmgegend kurz vor oder, wenn er mit dem Zug anreiste, auch schon auf dem Weg einstellte, hielt so lange an, bis er den Typen dann zum ersten Mal erblickte. Es war doch immer noch eine Überraschung, vor Allem kannte er die Jungs ja nur in Innenraumbekleidung, also T-Shirts und dergleichen, oder Bevorzugterweise nackt. Der normale Straßenkleidungsstil war dann doch noch mal etwas ganz Anderes. Er selbst hatte sich anfangs immer viele Gedanken gemacht, was er anziehen sollte und wie er sich am besten herrichtete. Mit der Zeit stellte sich aber auch da eine gewisse Entspanntheit ein. Nachdem ihn ein Typ davon überzeugt hatte, dass er sich doch nicht so einparfümieren sollte sondern zu seinem Männergeruch stehen könnte, ließ er bei diesen Treffen mehr und mehr das Deo zuhause. Klar, frisch geduscht war er immer, alleine weil er sich sonst unwohl fühlte und nicht auf die Straße traute. Aber er unterließ es mittlerweile, sich kurz vor dem Zusammentreffen noch schnell mit der AXE-Dose unter die Achseln oder in den Schritt zu sprühen. Alles unbeobachtet natürlich, wie er sowieso versuchte bei seinen Treffen eine Schattengestalt zu sein. Er fühlte sich ja schon beobachtet, wenn er mit seinem Bauch normal auf die Straße ging. Fuhr er aber zu einem Treffen war er der festen Meinung, dass man ihm das ansah und jeder wusste, welch schmutzige Dinge er plante. Es war sowieso ein Dilemma mit diesen Treffen. Einerseits wollte er für die Feeder seinen Bauch zeigen und am besten durch Klamotten betonen. Andererseits bewegte er sich ja immer noch durch öffentlichen Raum und wie der Teufel es wollte könnte ihm doch auch in der entferntesten Stadt jemand über den Weg laufen, der ihn kannte. So schüchtern wie er in der Öffentlichkeit war, so ungehemmt ließ er im Privaten dann aber schnell die Hüllen fallen. Es musste eben nur garantiert sein, dass sie unbeobachtet waren, in einer Privatwohnung oder einem Hotelzimmer zum Beispiel. Selbst wenn er mit Typen bei so einem Treffen im Auto fuhr und sie in den unbewohntesten Gegenden waren, scheute es ihn, Haut zu zeigen. Immer schwebte in seinem Hinterkopf die „was-wäre-wenn?“-Frage herum, was im nächsten Moment passieren könnte und er sich und sein Tun erklären müsste.
Die Phase in der sein Herzschlag am schnellsten ging, war wenn er sich auf den Treffpunkt zu bewegte und die Leute zu scannen begann. Wer könnte es sein, wer sieht so aus, wie er aussehen müsste. In der Regel war es so, dass er sich dann vor Ort mit dem Typen per Handy kurzschloss und sie sich so telefonierend aufeinander zunavigierten, mit Sprach- und Sichtkontakt. Es war ihm einfach lieber, als unter umständen jemand Falschen, wildfremden anzusprechen. Doch diesmal ging es tatsächlich ohne Mobilfunkunterstützung, denn der Treffpunkt war denkbar eng begrenzt und genau definiert. Außerdem konnte er sich, ohne Aufzufallen direkt auf sein potenzielles Date zu bewegen, er konnte sich direkt neben ihn stellen und dann sehen, ob er reagierte oder nicht. Denn ihr Zusammentreffen fand genau an dem Punkt statt, wo sich auch zwei Andere vereinten: Vater Rhein und la Mosella.

Kommentare

Anonym hat gesagt…
http://maps.google.de/maps?q=deutsches+eck&hl=de&ll=50.366201,7.604792&spn=0.008076,0.01929&sll=50.366023,7.604792&sspn=0.008418,0.01929&gl=de&t=h&z=16&iwloc=A --> richtig?

Die Story beschreibt genau wie ich mich jedes mal fühle. Habe zwischendurch gedacht ich wäre Ben, weil es so realistisch für mich war.

Bin sehr auf die Fortsetzung gespannt!!

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