Obwohl es draußen nur 22 Grad warm war, saß Ben schwitzend in seiner Wohnung und atmete schwer. Er hatte seine 106 kg gerade erst aus der Badewanne gewuchtet und sich abgetrocknet, doch bereits nach ein paar Minuten war er wieder klatschnass. Dabei tat er gar nichts Anstrengendes sondern saß nur in einem Ledersessel vor dem Rechner und klickte und tippte. Doch in der Fettfalte unter seinem Bauch sammelte sich Feuchtigkeit und auch seine Pobacken klebten an dem Leder. Ben war müde, doch er wollte sich unbedingt dazu durchringen, die Geschichte noch Fertigzuschreiben.
Es waren wieder zwei Wochen vergangen seit dem letzten Blogeintrag und seine Leserschaft gierte nach einer Fortsetzung, wie sie ihn in den Kommentaren wissen ließen. Aber sein Kopf war so leer was neue Ideen anging. Alles war doch im Grunde eine Wiederholung von schon Dagewesenem. Immer gab es zwei Typen die sich gegenseitig mästeten, was sich änderte waren nur die Namen und das Setting. Seinen Lesern genügte das, aber ihn langweilte das Schreiben manchmal zu Tode. Für ihn mussten die Geschichten soviel Realitätsbezug besitzen, dass sie ihn beim Schreiben und lesen geil machten und es wurde zunehmend schwieriger, Storylines zu finden an denen er sich selbst aufgeilte. Außerdem störte es ihn, dass die meisten Geschichten an irgendeinem Punkt abbrachen. So hatte er zwar die Option später Fortsetzungen zu schreiben, aber es waren einfach keine runden Produkte.
Zwanzig Minuten klickte Ben nun schon über die Gaining-Portale, schaute Bilder bei Beefyfrat und las Statuseinträge bei Grommr, doch nichts gab ihm eine Inspiration, wie die „Max und Maurice“-Handlung kreativ weitergehen sollte. Für Maurice hatte er zwar schon ein paar Eckpfeiler, wie sich die Mordgeschichte weiterentwickeln sollte, aber zu Max fiel ihm gar nichts ein. Gut, er könnte ihn ein Erlebnis haben lassen wie jenes, was er selbst neulich in der Realität gehabt hatte, als er sich mit einem fetten Typen getroffen hatte und beide sich im Auto mit McDonaldsfutter voll gestopft hatten. Aber das war eben, wenn man es in die Fiktion übertrug, zu langweilig, da musste es schon eine Stufe übertriebener werden. Um nicht in seinem Sessel einzuschlafen schob sich Ben vom Schreiberisch weg, wobei die Rollen des Sessels eine Falte im Teppich aufwarfen. Die Last, die nach unten drückte, war mittlerweile zu schwer, um leicht darüber Hinwegzugleiten. Er wuchtete sich auf, indem er sich auf den Armlehnen abstützte. Auch das hatte er früher nicht gemusst, aber in den letzten beiden Jahren war er gut 15 Kilo schwerer und um einiges Fauler geworden. Seine Muskeln waren erschlafft, denn er fuhr nun jede Strecke mit dem Auto. Sein Fahrrad stand die meiste Zeit unbenutzt hinterm Haus. In watschelndem Gang tappte er in die Küche. Die Jalousie ließ auch im geschlossenen Zustand genug Licht durch, dass er alles fand, was er brauchte. Eigentlich waren die Jalousien vor den Fenster seiner Wohnung immer auf undurchsichtig gekippt, denn er lief kaum bekleidet herum. Sobald er von Draußen kam, zog er die viel zu engen Hosen aus und auch die Shirts, die spannten. Meist trug er nicht mal eine Unterhose, da sein erster Gang ihn zum Rechner führte und seine Hand dann automatisch begann, am Schwanz zu spielen. Die permanente Präsenz seiner Fettmassen, dass der Bauch auf den Schenkeln auflag wenn er saß und dass die Brüste gegen die Oberarme drückten, dass das Kinn auf der Brust auflag, wenn er zurückgelehnt im Sessel saß – all das versetzte ihn in einen kontinuierlichen Zustand leichter Erregung. Vielleicht war es genau das, warum es ihm immer schwerer fiel mittels Geschichtenschreiben geil zu werden, weil er einfach dauererregt durch seinen eigenen Körper war.
Jetzt war jedenfalls erstmal ein Kaffee dran. Er wusste, dass das Koffein auch bald Hunger nach sich ziehen würde. Im Haus hatte er eigentlich nie viel, da er dauerhaft versuchte, eine Diät zu beginnen. Meist siegte nach ein paar Fastentagen dann aber doch die Lust auf eine kalorienmäßige Schweinerei und er kaufte sich unanständig viele Dinge ein, die er dann in Sessions vor der Webcam verschlang und ein paar Typen im Beefyfratchat damit eine Wichsvorlage lieferte. Normale Portionen für eine Person konnte er gar nicht mehr kochen, riss er ein Paket Nudeln auf landete automatisch die Hälfte im Topf, statt einem Viertel, weil ihm dies einfach zu wenig erschien. Sowieso hatte er sich angewöhnt, alles was er kaufte schnell und komplett aufzuessen, in der Überlegung danach dann eine Diät zu beginnen. Wenn keine Vorräte im Haus waren fastete es sich leichter. Aber zu oft war ihm dann doch der Pizzadienst dazwischengekommne. Oder der Asiate. Oder er fuhr doch noch nachts raus zum Drive-In der Burgerbrater. Als Student war ihm das noch zu teuer gewesen, da hatte er in Phasen des Fastens auch tatsächlich keine Möglichkeit gehabt nachts an Essen heranzukommen. Aber seit er arbeitete war sein Konto immer bestens gefüllt und so auch seine Fettpolster.
Ein wenig gekickt durch zwei Kaffee öffnete er nun wieder das Word-Dokument, in dem er seine Geschichten vorschrieb und korrigierte. Wobei die Korrektur sehr oberflächlich ausfiel, denn nachdem er etwas geschrieben und dabei abgespritzt hatte, wollte er es nur noch schnell online haben. Es war mittlerweile zwar schon etwas besser geworden, im Verglich zu den früheren Geschichten - beispielsweise der Underground-Saga aus 2002, die vor Tippfehlern nur so strotzte – aber druckreif war immer noch keiner seiner Texte. Irgendwann, so nahm er sich vor, wollte er mal über alles drüber gehen, die Form angleichen, den Stil verbessern und dann an einen Verlag herantreten. Wobei es ihm sehr fraglich erschien, ob er irgendwo mit dieser Art Geschichten Anklang finden würde. Selbst das Programm von Bruno Gmünder, was ja nun wirklich ein paar harte Fetisch-Publikationen beinhaltete, war wohl noch zu Mainstreamig für einen reinen Gainerband. Er könnte das ganze vielleicht in eine Bärenstory verpacken, das war noch eine etwas massenkompatiblere Sache. Aber dann wäre es nichts mehr für ihn, wenn alle Typen auf einmal Haare hätten und das bestehende Gewicht Vorrang vor der Gewichtszunahme hätte. Selbst im Englischsprachigen bezweifelte er, dass es wirklich einen Printverleger gab, der sich an diese winzige Zielgruppe heranwagte. Dabei gab es soviel große Literatur in den Programmen von Ullstein und Suhrkamp, die zur Zeit ihrer Veröffentlichung absolut skandalös war und trotzdem als Kunst angesehen wurde. Auch Feuchtgebiete von Charlotte Roche war ja nichts Anderes als das niederschreiben perverser sexueller Phantasien und Lüste, die kaum einer der Leser jemals an sich selbst durchführen würde. Wobei dieses Buch vermutlich auch unter ‚ferner liefen’ abgehakt worden wäre oder gar nicht erst auf Papier gebracht, hätte es nicht diese berühmte Autorin gehabt. Doch selbst wenn Ben eines Tages zu Ruhm kommen würde, mit dem Offenlegen seiner sexuellen Lüste würde er sich den dann vermutlich schnell wieder verspielen.
Im Querlesen flog er jetzt noch einmal über die letzten Kapitel, um zu sehen ob er vielleicht ein interessantes Detail fand, an dem er anknüpfen konnte um eine Handlungsbogen zu schließen. Da gab es schon das ein oder andere, aber wenn er dann ein bisschen weiterspann würde es alles zu einer weiteren Wiederholung schon Dagewesenem werden. Allein das Stilmittel der Traumsequenzen, was er in dem letzten Eintrag eingeführt hatte, war ja schon so peinlich und zeugte von absolut fehlender Kreativität des Autors. Es half nichts, dachte sich Ben und fasst einen Entschluss: Max musste sterben!
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