Aufgrund Hamits beruflichem Background im Maschinenbau und seiner Testergebnisse im logisch-strukturierten Teil wurde er einer wehrtechnischen Einheit zugeteilt. Zu seinen Aufgaben würden die Wartung von Fahrzeugen und Gerätschaften an einem mittelgroßen Standort in Süddeutschland zählen. Noch kannte sich Hamit nicht mit dem System der Bundeswehr aus und umso überraschter war er von dem Ton, der bei der Begrüßung herrschte.
Obwohl er freiwillig hier war, wurde er herumkommandiert wie die Wehrdienstleistenden. Auch die Grundausbildung von drei Monaten musste er noch absolvieren. Im Prinzip war das kein sonderliches Problem für ihn, die Kondition und Fitness hatte er. Aber der ungewohnte Tagesablauf, das frühe Aufstehen und das Schlafen auf der 6er Stube gefielen ihm gar nicht. Zwar waren seine Kameraden alle ok, aber er fühlte sich trotzdem nicht richtig zugehörig. Außerdem hingen sie anderen Abenden immer auf der Stube herum und besoffen sich, was für ihn als gläubigen Moslem nicht in Frage kam. Auch fand er es doof, dass es in der Kantine so oft Schweinefleischgerichte zu essen gab, was natürlich das billigste war aber ihm dann immer nur das vegetarische übrig ließ.
Nach einem Monat hatte er bereits 10 Kilo abgenommen, da ihm einfach die ausreichende Ernährung fehlte und das Bewegungspensum ja dennoch hoch war. Er überlegte ernsthaft, ob nicht abbrechen sollte und sich etwas Neues suchen. Aber da traf er glücklicherweise auf Leo.
Leo arbeitete in der Verwaltung und würde nach Abschluss des Grundwehrdienstes einer seiner Kollegen sein. Er war ihm in der ersten Woche kurz vorgestellt worden, aber seitdem hatten sie sich nicht mehr viel gesehen. Nun war wieder eines der Wochenenden, an denen die Kaserne recht leer war und Hamit die Zeit damit verbrachte, durch die Gebäude und über das Gelände zu schlurfen. Sein Weg durch den Verwaltungstrakt führte ihn auch an dem Büro von Leo vorbei, dessen Tür offen stand.
„Ah, der Herr Kollege!“ rief Leo ihm zu, las er den Flur entlangspazierte. Hamit drehte sich um und blickte in Leos Büro.
„Hallo, ich habe Sie gar nicht bemerkt.“
„Du wir können uns ruhig duzen“, meinte Leo, „wir werden ja bald eh zusammenarbeiten. Ich bin der Leo und Du bist Hassan?
„Hamit.“ korrigierte Hamit.
„Oh richtig, Entschuldigung.“, meinte Leo, „wusste nur noch dass es irgendwas türkisches war.“
„Libanesisch.“ Korrigierte Hamit erneut.
„Mann, Mann, Mann, ich bin echt ein Schussel. Und dabei gibt es hier doch fast nur Deutsche, also ich meine, Leute ohne Migrationshintergrund, ach ich rede mich gerade um Kopf und Kragen.“
„Schon ok“, antwortet Hamit, „ich kann damit leben. Hab schon gemerkt, dass hier alles eher auf europäische Grundwerte und so ausgelegt ist. Ist natürlich für einen gläubigen Moslem wie mich bisschen doof. So was den Alkohol und das Schweinefleisch in der Kantine angeht.“
„Oh stimmt, das ist wirklich ungünstig.“ Meinte Leo.
„Ich hab vor lauter Unterernährung schon zehn Kilo abgenommen in dem Monat.“ erzählte Hamit. „Das Schlechteste ist es zwar nicht, meinte auch schon der Musterungsarzt, aber ich fürchte halt, dass es mittelfristig an die Muskelmasse geht.“
Leo blickte ihn genüsslich von oben bis unten an, während Hamit über seinen Körper sprach. Das war ein Junge genau nach seinem Kalieber. Jetzt hatte er ja schon eine ordentliche Packung Übergewicht, aber wenn er erst mal bei ihm auf dem Büro saß, würde Leo sich ausgiebig um eine weitere Steigerung bemühen.
„Hm, das ist schlecht.“ Meinte Leo. „Und dein Grundwehrdienst ist ja erst zu einem Drittel vorbei, das bist du ja Verhungert bis zum Ende.“
„Tja, aber was will man machen.“ Antwortete Hamit. „Ich muss ganz ehrlich sagen, dass ich mir im Moment gar nicht so sicher bin, ob ich es bis zum Ende durchhalte. Irgendwie hab ich mir das Alles etwas anders vorgestellt.“
„Oh das wäre aber schade, wenn du im Grundwehrdienst schon abbrechen würdest. Denn danach wird es ja viel besser.“ Leo machte eine kurze Pause und überlegte. „Ich mach dir einen Vorschlag: Ich kenne den Küchenchef ganz gut und er überlässt mir immer den Küchenschlüssel, wenn ich mal keine Zeit hatte zum Essen oder nichts für mich dabei war. Dann Koche ich mir abends wenn manchmal was, gerade wenn ich noch in der Nacht zu arbeiten habe. Du kannst gerne vorbeikommen, in der Zeit wo deine Stubenkameraden Saufen und dann gehen wir rüber und schauen, dass wir dir was Anständiges zubereiten.“
„Cool, das ist mal ein Angebot!“ Sagte Hamit erfreut. „Also ganz ehrlich gesagt, heute gab’s eigentlich auch nur Pasta mit Tomatensoße…“
„Ich hab schon verstanden, ich gehe mal schnell den Schlüssel holen.“ Leo ging grinsend über den Flur zum Zimmer des Koches. Das ging ja schon richtig gut los, mit seinem neuen Kollegen.
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