Wir trafen uns zur ersten Sitzung in Valerio, denn er hatte ein Appartement im Studentenwohnheim direkt auf dem Campus. Während wir so vor Valerios Computer saßen und im Internet recherchierten fragte er auf einmal:
"Sag mal, irgendwo hab' ich Dich aber schon mal vorher gesehen. Also ausserhalb des Proseminars. Haben wir noch 'ne andere Veranstaltung zusammen?"
"Nicht das ich wüsste." Meinte ich. "Vielleicht haben wir uns ja mal Abend in der Stadt getroffen. Oder auf der Party letzten Donnerstag, da waren ja ziemlich viele." Valerio schien nachzudenken.
"Ja, auf der Party" murmelte er und sein Gesicht verdunkelte sich, "möglich. Na ja egal, gucken wir mal weiter was Google uns so ausspuckt." Ich begann auch nachzudenken. Stimmt, irgendwie klingelte da was, nicht unbedingt das Aussehen, aber die Stimme von Valerio kam mir bekannt vor. Dann kam mir auf einmal ein Bild in den Kopf. Ich war auf dem Klo und irgendjemand stand in der Tür. Wo und wann war dass noch mal. Ich konzentrierte mich stärker. Je, das war auf der Party letzten Donnerstag gewesen. Jetzt fiel es mir auf einmal wieder ein. Da war doch dieser Typ, der mich belästigt hatte. Wie hatte der noch mal ausgesehen. Hach, dieses scheiss Blackout. Ich konnte mich nicht mehr an sein Gesicht erinnern. Aber die Stimme, die kannte ich doch!
"Komm schon, bloß 'n bisschen was an guten Treffern!" sagte Valerio so vor sich hin zu derm Computer. DA! Das waren die Worte, die gleiche Stimme. Ich drehte den Kopf zu Valerio und schaute ihn an. Er schien zu merken dass ich ihn ansah, denn ich war schlagartig verstummt. Er drehte den Kopf zu mir rüber.
"Is was?" fragte er.
"Du, mir is' glaube ich wieder eingefallen, wo wir uns getroffen haben. Es war doch die Party am Donnerstag. Auf dem Klo, wir sind uns auf dem Klo über den Weg gelaufen. Erinnerst Du Dich."
"Ich bin mir nicht mehr sicher," stammelte Valerio, "kann gut sein, aber ich hatte natürlich auch einiges getrunken."
"Ich auch, deshalb fiel es mir auch nicht gleich ein. Aber doch, wir haben uns auf dem Klo getroffen. Und zwar war ich gerade am Kotzen als Du mich was gefragt hast."
"Echt? Kann mich gar nicht mehr erinnern." Jetzt hatte ich ihn.
"Oh, aber ich weiß es noch genau. Du hast gefragt ob Du mich ficken dürftest."
"Was?" rief Valerio entgeistert.
"Ja, ‚komm schon, bloß 'n bisschen Arschfick' das waren Deien Worte."
"Also das hab' ich garantiert nicht gesagt." Sagte Valerio entrüstet. "Ich bin doch nicht schwul!" Ich schwieg. Wir arbeiteten ein paar Minuten weiter ohne zu reden, dann hielt ich es nicht mehr aus und musste doch die Stille unterbrechen.
"Weißt Du, das würde mir nichts ausmachen, ich meine wenn Du schwul wärst, ich hab damit kein Problem."
"Ich bin's aber definitiv nicht. Und wir haben uns am Donnerstag auch nicht auf dem Klo getroffen."
"Schon gut, reden wir nicht mehr darüber." Wieder folgten einige Minuten des wortlosen Arbeitens, bis Valerio schließlich losbrach.
"Du hast ja recht, ich war das auf dem Klo gewesen. Ich mein, ich war voll wie ein Eimer und da weiß ich nie was ich tue oder sage. Stimmt, ich bin schwul, hätte ja jetzt wohl keinen Sinn mehr es zu verbergen, aber glaube mir, ich wollte Dich echt nicht blöd anmachen. Entschuldigung."
"Hey," meinte ich und klopfte ihm leicht auf die Schulter. "Schon ok, wir machen ja alle ziemlichen Scheiß wenn wir besoffen sind. Will nicht wissen was ich in der Nacht noch so getan und gesagt haben. Vergessen wir's einfach. Ich behalt's für mich und Du behältst's für Dich und wir reden nicht mehr darüber."
"Danke, das wäre nett von Dir." Antwortete Valerio. "Aber weist Du, egal wie besoffen ich war, ich hab' das schon ernst gemeint. Du gefällst mir."
"Jetzt hör aber auf!" sagte ich energisch.
"Nein ehrlich, ich mag Dich wirklich. Du sieht total geil aus und ich würde Dich am liebsten sofort hier und jetzt..." das reichte mir nun wirklich. Ich stand auf und ging ein paar Schritte von Valerio weg.
"Hör zu," sagte ich, "ich bin nicht schwul. Zwischen uns wird nie was laufen. Kapiert?"
"Hast Du denn niemals irgendwelche Gedanken in der Richtung gehabt? Wolltest Du nie ausprobieren, wie es mit einem Mann ist?" Ich überlegte kurz. Ich kannte nun Valerio's Geheimnis, da wäre es eigentlich nur fair ihm auch von meiner Vergangenheit zu erzählen. Er würde es sicher nicht weitererzählen, denn schließlich konnte ich dann ja auch das von ihm ausplaudern.
"Also, das ist nicht so ganz richtig, was ich da sagte." Begann ich. "Ich hatte da schon mal was mit einem Typ. Aber das war nur einmal und ausserdem ist das auch schon ein bisschen was her. Ich hab' eben meine Erfahrungen gemacht und das reicht mir auch."
"Und Du könntest Dir nie wieder vorstellen was mit einem Mann anzufangen?"
"Ich will jetzt nicht pauschal "nie" sagen, aber vor habe ich es nicht direkt."
"Und wenn Die jetzt aber der Traumtyp über den Weg laufen würde, was wäre dann."
"Wie gesagt, ich hab ja nicht "nie" gesagt."
"Was ist denn mit mir? Findest Du mich attraktiv?" Valerio erhoffte sich doch nicht etwa wirklich ein Antwort auf diese Frage. Ich schaute ihn zweifelnd an, aber er hatte die Frage tatsächlich ernst gemeint. Was sollte ich jetzt sagen. Konnte ich ihm einfach so ins Gesicht sagen er sei hässlich? Im Grunde war er's ja noch nicht mal, das war ja das Problem. Er machte mich ja schon an, aber sollte ich ihm das sagen?
"Na ja," stammelte ich "also Du siehst schon gut aus, für einen Typen meine ich. Und wenn ich denn wieder was mit einem Mann anfangen wollte dann würde ich jemanden wie Dich schon in die engere Wahl ziehen."
"Das wollte ich ja nur hören." Antwortete Valerio schmunzeln. "Und jetzt lass uns endlich mal an dem Referat weiterarbeiten, sonst kommen wir ja zu gar nix mehr!" Wir arbeiteten noch etwa eine Stunde, dann konnte wir aber auch nicht mehr. Es wurde auch schon allmählich dunkel und so ging ich denn nach Hause. Ich musste den ganzen Abend über das, was Valerio gesagt hatte nachdenken. Und auch über das was ich ihm daraufhin erzählt hatte. Wie konnte ich bloß so dumm gewesen sein. Ich hätte so tun sollen, als erinnerte ich mich nicht mehr. Jetzt wusste er auch über mich Bescheid. Er konnte nun jederzeit rumerzählen dass ich schwul sei und zur Untermauerung behaupten das wir was mit einander hätten. Wer würde das anzweifeln. Jetzt machte Valerio ja 'nen ganz anständigen Eindruck, aber man weiß ja nie. Und wenn er sich irgendwann mal über mich ärgerte, wer weiß ob er dann diesen Trumpf nicht doch ausspielte. Ich konnte an diesem Abend lange nicht einschlafen.
Am nächsten Tag hatte ich aber schon wieder alles vergessen, zumindest so lange bis ich in der Uni an einem Typ vorbeilief, der Valerio sehr ähnlich sah. Sofort war es wieder da. Anscheinend empfand ich ja doch was für ihn, wenn allein ein ähnlicher Anblick mir das Blut in gewisse Regionen steigen ließ. Aber nein, hier würde nur mit Frauen rumgemacht werden und damit basta! Um das zu untermauern ging ich in der folgenden Woche auf eine BWLer-Party, 70 % Frauen und wie alle BWLerinnen natürlich super aussehend. In anbetracht der Tatsache das wir Männer eben in der Unterzahl waren kam ich auch schnell ins Gespräch mit ein paar der Damen. Besonders zu Gute kam mir dabei natürlich auch das ich Geisteswissenschaftler war, eine Sorte von Männern die solche Frauen besonders anzog, denn wir hatten wenigstens noch Humor und Phantasie. Die BWL-Männer hingegen dachten immer nur sofort an das Eine - Geld! Ich trank mir noch ein wenig Mut an und pickte schließlich Melanie, ebenfalls schon leicht angeheitert aber dennoch phänomenal aussehend für ein intimeres Zweiergespräch. Es ging zunächst so ein bisschen locker hin und her, dann meinte sie, ob ich Lust hätte, ein bisschen spazieren zu gehen. Wir schnappten uns schnell noch zwei Drinks für unterwegs und machten uns davon. Weit kamen wir nicht, denn schon knapp 100 Meter vom BWL-Gebäude entfernt fanden wir ein lauschiges Plätzchen, was sich für unsere bis dahin feststehenden Pläne eignete. Es war zwar nicht mehr so warm wie im Juli aber die Sache dauerte ja auch nicht so lange und ausserdem waren wir ja in Bewegung. Nach etwa eine halben Stunde machten wir uns wieder auf den Weg zurück zur Party. Da machten wir dann noch so ein bisschen rum, natürlich nur soweit wie man es hier zeigen konnte und der Abend nahm seinen weiteren Verlauf. Ich Weiß nicht mehr wie es von statten ging aber ich trank natürlich wieder zu viel, meine neue Freundin aber Gott sei dank auch, so dass wir uns am nächsten Tag wenigstens keine Vorwürfe machen konnten, und schließlich verließen mich Zeit und Raum.
Das Aufwachen am nächsten Tag war furchtbar. Mein Kopf fühlte sich an als würde er explodieren, weiß der Teufel was diese Scheiß BWLer da für einen Fusel ausgeschenkt hatten. Als ich meine Augen kurz öffnete blickte ich auf die Wand. Ich schloss meine Augen noch mal um vielleicht wieder einzuschlafen. Dann entschied ich mich aber doch aufzustehen. Doch was musste ich zu meiner Überraschung feststellen, als ich mich rumdrehte: das war überhaupt nicht meine Wohnung! Nein, der Einrichtung nach zu urteilen war ich hier bei - Valerio! Ich wollte aufspringen, doch in Anbetracht meines sich sofort meldenden Brummschädels erhob ich mich doch langsamer. Ich sah an mir herunter. An hatte ich nichts, aber so schlief ich eigentlich immer, also kein Grund zur Besorgnis. Vor dem Bett lagen meine Sachen. Ich zog mir meine Boxershorts und mein T-Shirt an und ging erst mal in dem Appartement herum. Valerio schien nicht hier zu sein, auch nicht im Bad. Ich zog mich wieder aus und Duschte erst mal. Danach ging es mir wieder ein bisschen besser. Ich fönte mir die Haare und zog mich wieder an. Dann nahm ich auf dem Bett Platz, denn mir war immer noch schwindelig. Ich versuchte mich zu erinnern, was gestern Abend passiert war und wie ich hierhin gelangt sein konnte. Aber das Letzte was ich zusammenbekam war die Sache mit Melanie. Nun musste ich in Anbetracht der Tatsache da ich hier bei Valerio war natürlich sofort an das schlimmste denken. Zwar tat mein Arsch nicht weh, aber das hatte ja nichts zu bedeuten, vielleicht hatten wir ja Gleitcreme verwendet. Mein Gott, wie konnte das nur passieren. Und vor allem: wer hat es dazu kommen lassen. Habe ich ihm im Suff vielleicht doch meine Gefühle für ihn gestanden oder hatte er mich abgeschleppt, was bei meinem Zustand wahrlich nicht schwer gewesen sein musste. Ich überlegte zu gehen, denn wer wusste ob Valerio so schnell zurück kam. Und vielleicht wäre es auch besser ihm zumindest heute nicht mehr zu begegnen. Als ich aber gerade aufstehen wollte hörte ich einen Schlüssel in der Tür und Valerio trat ein.
"Ah, auch schon wach? Guten Morgen!" rief er mir freudig entgegen. Ich murmelte irgendwas zerknirschtes wie "moren" zurück. Ob wohl ich Geduscht hatte fühlte ich mich immer noch grässlich und meine Stimme war auch noch nicht voll entfaltet.
"Na, nicht so gut drauf?" Fragte er.
"Ging schon besser."
"Kannst Du Dich noch an was erinnern?"
"Nichts was mir erklärt wieso ich jetzt hier bin."
"Nun, das kommt daher das ich Dich gestern Abend schlafend auf einer Wiese gefunden und Dich hierher mitgenommen habe." Sagte Valerio. Er kam erst jetzt dazu seine Einkäufe, die er auf dem Arm trug abzustellen. Anscheinend war er so früh schon unterwegs gewesen um Frühstück zu besorgen.
"Ich hab' davon nichts mehr mitbekommen. Das letzte was ich noch weis war, das ich auf der Party bei den BWLern war und ziemlich viel getrunken hatte." Die Sache mit Melanie ließ ich hier mal noch weg, konnte ich ja immer noch später anbringen.
"Dass Du viel getrunken hast hab' ich an Deiner Fahne gemerkt. Und Du weißt echt nicht mehr, wie Du raus auf die Wiese gekommen bist?"
"Keinen Schimmer!"
"Na dann hast Du ja Glück gehabt das ich zufällig gerade aus der Stadt zurückgekommen gekommen bin." Meinte Valerio. "Wärst mir aber bestimmt nicht aufgefallen wenn Du nicht in der Nähe eine Laterne und auf dem Rücken gelegen hättest, sonst hätte ich Dich gar nicht erkannt. Ich hab noch versucht Dich wachzurütteln, aber das hat nicht geklappt. Da hab' ich mir dann gedacht: 'kannst den armen Kerl jetzt auch nicht so hier liegen lassen' und Dich also heimgeschleppt. War 'ne ganz schöne Arbeit!"
"Und ich bin die ganze Zeit nicht aufgewacht?" fragte ich.
"Doch, als ich Dich dann hier die Treppen hochschleifen wollte zogst Du es doch vor das alleine zu wagen."
"Und dann?"
"Du kannst Dich also auch daran nicht mehr erinnern." Seufzte Valerio ein wenig enttäuscht.
"Nein, was war dann?" Eine böse Ahnung stieg in mir auf.
"Nun," meinte Valerio. "Also ich für meinen Teil hatte guten Sex. Und Du anscheinend auch, Deinen Geräuschen nach zu urteilen zumindest."
"Oh mein Gott!" stöhnte ich. "Wie kam es denn dazu?"
"Also ich wollte Dir eigentlich nur die Couch zum Schlafen zurecht machen, als Du dann darauf lagst und ich mich noch mal über Dich beugte um mit Dir zusprechen hast Du mich am Hemd gepackt und auf Dich gezogen. Du fingst sofort an mir Deine Liebe für mich zu gestehen und das Du mich so scharf fändest und sofort mit mir schlafen wolltest. Ich hab' das natürlich zunächst verneint, denn ich wusste ja dass Du nicht Herr Deiner Sinne warst, aber Du hast so lange gequengelt , wolltest mich auch nicht loslassen und hast mich die ganze Zeit geküsst das ich schließlich nachgab."
"Scheiße Mann," sagte ich, "wieso hast Du das denn zugelassen?"
"Ich hab' Dir doch schon mal gesagt das ich Dich scharf finde. Und wenn sich dann so eine Gelegenheit bietet - also das kannst Du mir wirklich nicht übel nehmen."
"Wie haben wir's denn getrieben?" fragte ich schließlich noch.
"Ich hab natürlich Dich ficken müssen, zu mehr warst Du dann doch nicht mehr im Stande. Aber wie gesagt, Du hast nicht so geklungen als wäre Dir das unangenehm." Ich stöhnte leise auf, teils weil mein Kopf wieder einmal von einer Woge des Schmerzes erfasst wurde, teils aufgrund dieser Geschichte. Naja, was geschehen war war geschehen, da konnte man jetzt auch nichts mehr dran ändern.
Kommentare